Einige Ergebnisse aus jüngsten Untersuchungen über Leben und Wirken Willy Ankers

 Gerhard Steinecke liest anläßlich des Meißner Literaturfestivals 2012 aus dem Manuskript seiner Willy-Anker-Biographie.
(z.T. nachzulesen untern "Was geschah am 6. Mai 1945?”, Teil 1)

Von links: Der Vorsitzende des Vereins „Ein Haus für viele(s)“ e.V., Stadtrat Andreas Graff, Ankers Enkelin Dr. med. Monika Rösler, und Ortschronist Dipl.-Hist. Gerhard Steinecke. Foto: Reinhard Heinrich v.l. Der Vorsitzende des Vereins „Ein Haus für viele(s)“ e.V., Stadtrat Andreas Graff, Ankers Enkelin Dr. med. Monika Rösler, Ortschronist Dipl.-Hist. Gerhard Steinecke. Foto: Reinhard Heinrich


v.l. Dr. Monika Rösler, Gerhard Steinecke und (halb verdeckt) Dr. Walter Rösler v.l. Dr. Monika Rösler, Gerhard Steinecke und (halb verdeckt) Dr. Walter Rösler, Foto: Reinhard Heinrich


Aus dem Bericht von Reinhard Heinrich über diese Lesung (stark gekürzt):
Roter Diktator oder “Rettungs”-Anker? Willy-Anker-Biografie – Lesung zum Literaturfest von Reinhard Heinrich (Text & Fotos)

Wer zum diesjährigen Literaturfest Meissen die Lesung aus Willy Ankers Biografie hören wollte, musste sich gemäss Programm erst einmal gegen 21 andere gleichzeitig stattfindende – spannende oder anrührende – Veranstaltungen teils recht prominenter Vorleser entscheiden. Am frühen Sonntagnachmittag lasen andernorts in Meissen Geert Mackenroth, Heinz Eggert und Thomas Bärsch – um nur drei der Bekannteren zu nennen. Gleich 2 sächsische Staatsminister a.D. – hätte man hören können. Egal, der Ruf in das kleine Haus mit dem weinbelaubten Giebel war stärker – zumindest für rund 30 Teilnehmer, darunter Stadträte und Vertreter von SPD und LINKE.

Eingeleitet von persönlichen Erinnerungen der Enkelin Willy Ankers, Frau Dr. Monika Rösler, stellte Stadtchronist Gerhard Steinecke einen Ausschnitt aus seiner Willy-Anker-Biografie „Links geradeaus auf verwundenen Wegen“ vor. Bei seinen Forschungen stiess er auch auf eine erschreckende Gleichgültigkeit der DDR-Staatsmacht und ihrer führenden Partei gegenüber ihren eigenen Antifaschisten und Aktivisten der ersten Stunde. Damals noch lebende Zeitzeugen wurden behandelt, als würden sie ewig leben und der Umgang mit Sachzeugen war kaum besser. Präzise Geschichtsschreibung trat oft hinter ihre jeweils “gemäss Beschlüssen aktuelle” Interpretation zurück – oder wurde zurückgetreten.

Die Wahrheit ist konkret (B. Brecht)
Trotzdem gelingt heute noch manche Entdeckung und der Historiker konnte nunmehr aus dem bisher relativ beliebigen Wehrmachtsoffizier eine konkrete historische Person machen, die dem Sozialdemokraten Anker mit sofortiger Erschiessung drohte, weil er am 6. Mai 1945, zwei Tage vor dem endgültigen Kriegsende, die Bürger Meissens zu friedlicher und geordneter Übergabe der Stadt an die Rote Armee aufforderte. Immerhin am nächsten Tag war die Rote Armee bereits in Coswig. ….

Der roter Bürgermeister als “Rettungs-Anker”
Von den Veranstaltern so nicht geplant, aber doch irgendwie folgerichtig kam es in der anschliessenden Diskussion zu teils erregten Stellungnahmen über den Umgang mit besonders aktiven NSDAP-Mitgliedern unmittelbar nach der Befreiung. Eine Teilnehmerin schildert aus eigenem Kindheiterleben den sadistischen Umgang eines NS-Blockwarts mit kriegsgefangen Zwangsarbeitern im Triebischtal – und wie seine Bestrafung von vielen als gerecht empfunden wurde.
“Ich bin der Sohn eines Blockwarts” – meldete sich ein eigens aus Berlin angereister Herr Jauch, um zu schildern, wie zwar sein Vater auch zur Rechenschaft gezogen wurde, Frau und Kind jedoch nach Vorsprache bei Willy Anker im Rathaus durchaus menschlich, angemessen rücksichtsvoll und fair behandelt wurden. …“

Aus einer Presseinformation der Stadt Meissen – Büro des Oberbürgermeisters:
„Die Tage der Befreiung – für Meissen neu erforscht. Wissenschaftliche Expertise zum Geschehen am 6. Mai 1945 in Meißen
Nach Rücksprache mit allen Fraktionen ersuchte der Oberbürgermeister im Frühjahr 2011 den Leiter des Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung an der TU Dresden, Herrn Prof. Dr. Günther Heydemann, um die Erstellung einer geschichtswissenschaftlichen Expertise. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Institutes, der Historiker Dr. Thomas Widera, hat die vorhandenen und ihm zugänglichen Dokumente ausgewertet und hieraus eine wissenschaftliche Expertise zum Geschehen am 6. Mai 1945 in Meißen gefertigt.
Diese Expertise wird im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung der Meißner Öffentlichkeit vorgestellt, am Montag, 18. Juni 2012, 17 Uhr, Ratssaal des historischen Rathauses. Teilnehmen werden neben Herrn Prof. Dr. Heydemann und Herrn Dr. Widera auch Oberbürgermeister Olaf Raschke sowie Mitglieder des Stadtrates. Alle interessierten Bürger sind zur Teilnahme herzlich eingeladen.

tvMeißen am 19. Juni 2012:
„Institut räumt Zweifel aus.“

Das Interesse war groß, am Vortrag von Dr. Thomas Widera. Der Wissenschaftler gehört dem Hannah-Ahrendt-Institut an und beschäftigt sich mit der Erforschung totalitärer Systeme. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der NS-Zeit, als auch in der Zeit des Stalinismus. Im Auftrag der Stadt Meißen analysierte er die Rolle des Sozialdemokraten Willy Anker zum Kriegsende in Meißen. …
Der Geschichtswissenschaftler … stützt nach genauer Analyse die bisherige Erinnerung der Meißner Bürger an den 6. Mai 1945. Des weiteren ergeben sich aus den Forschungen keine Anhaltspunkte, die die Leistung Ankers im Zusammenhang mit dem Kriegsende relativieren. Über eine öffentliche Ehrung Willy Ankers und auch Herbert Böhmes müssen nun die Meißner entscheiden.“

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von: www.meissen-fernsehen.de


Von Dr. Thomas Widera, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismus-Forschung (HAIT) vorgetragen:
„Geschichtswissenschaftliche Expertise zu Willy Anker, Meißen 6. Mai 1945″

(Kurze Auszüge)
„Seinen Widerspruch gegen die Evakuierungsentscheidung richtete Anker an die Adresse der versammelten nationalsozialistischen Funktionsträger. Er wolle dafür Sorge tragen, dass die >Bewegungen der Russen durch Meißen< hindurchgingen und die Stadt nicht durch Kriegshandlungen in Mitleidenschaft gezogen werde: >Hier trat mir der Hauptmann entgegen und drohte mit dem sofortigen Standrecht, wenn ich gegen seinen Willen handele.<“ -
„Mutig war der Schritt auf den Balkon zweifellos. Denn ein einzelner Schuss hätte die Wende der Dinge zu einem kampflosen Verlauf … verhindern können. Andernorts wurde geschossen, nicht in Meißen.“ – „Ankers Aufruf hat dazu beigetragen, daß sich in dieser gefährlichen Situation der Auflösung jeder Ordnung allgemein Vernunft und Besonnenheit durchsetzten.“ –
„So endete der Zweite Weltkrieg in Meißen: … Am Vormittag hatten sich … lokale Funktionsträger des Regimes im Rathaus versammelt, am Nachmittag rückten Einheiten der Roten Armee in den Straßen vor und stießen auf keine Gegenwehr. Es wurde nicht gekämpft, kaum geschossen, die Stadt blieb fast unzerstört; gleichwohl wurde wie überall die Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen.“

Das aufmerksame Publikum. Rechts: Historiker Dr. Günter Naumann Das aufmerksame Publikum. Rechts: Historiker Dr. Günter Naumann | Foto rechts: OB Olaf Raschke und Bürgermeister Gruner im Publikum. Fotos: www.meissen-fernsehen.de


OB Olaf Raschke und Bürgermeister Gruner im Publikum. Fotos: www.meissen-fernsehen.de


T. Grau im MTB vom 28. Juni 2012 über den Vortrag der HAIT-Expertise
(Willy Ankers Foto wurde von uns anstelle einer Reklame in die Mitte des Artikels hineinkopiert. M. Rösler)

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