Teil 4 - Gedenktafel

Was nicht sein darf, kann nicht sein?

Eine Gedenktafel per Ratsbeschluß - im Marktpflaster seit Juni 2011

Am 24. März 2010
beschließt der Stadtrat – nach vierjährigen Debatten über Willy Anker und obwohl Beschuldigungen gegen ihn widerlegt wurden und eine auch gerichtlich untersagt worden ist - mit der Mehrheit der CDU-, der FDP- und der U.L.M.-Fraktion - eine anonymisierte Bronzeplatte in den Boden vor dem Rathaus einzulassen, auf der behauptet wird, auf dem Markt hätten im April/Mai 1945 mutige Bürger ihre Stimme für die Bewahrung ihrer Stadt erhoben.
Vorschläge der LINKEn-Fraktion für eine historisch wahre Gedenktafel am oder im Rathaus für Anker, Böhme und die anderen Mutigen wurden abgelehnt.

Am 23. Juni 2011
wurde dann diese Gedenkplatte mit einer anonymisierten und mißverständlichen Inschrift nahe der Rathaustreppe in den Boden eingebracht.



Auch wurde diese Gedenkplatte (!) – und das dürfte ein weiteres historisches Kuriosum sein – so sang- und klanglos eingebaut, als würden Handwerker den Bürgersteig reparieren.
Das geschah auch ohne vorherige Ankündigung, ohne Presseinformation und ohne ehrende Einweihung
Denn man handelte gegen Bürgerwillen, wofür über 1.200 Unterschriften sprechen. Protest war denkbar.


Kritische Stellungnahmen mit Vorschlag für einen neuen Tafeltext

Meißen, den 25. März 2010

Initiativgruppe Willy Anker
Was nicht sein darf, kann nicht sein?

Gestern beschloß die Mehrheit des Stadtrates unter TOP 15 „Erinnerung an die Ereignisse im April und Mai 1945 in Meißen“, auf dem Markt neben der Gedenkplatte an den 24. Oktober 1989 eine zweite Platte mit folgendem Text einzulassen:

"Für die Bewahrung ihrer Stadt erhoben hier im April/Mai 1945 Meißner Bürger ihre Stimme.
Dank ihres Mutes überstand Meißen den Krieg nahezu unzerstört.
"

Wir bedauern diese Fehlentscheidung, von der die Auseinandersetzung um eine sachliche Einschätzung des Wirkens von Willy Anker nun neu entfacht wird. Überzeugt von der Durchsetzbarkeit der Wahrheit in einer freiheitlich-demokratischen Ordnung sagen wir diesem vagen, sachlich ungedeckten, fakten-verschleiernden und nicht unzweideutigen Text keinen Bestand voraus.
Prüfen wir die Aussage hier nur kurz an den Tatsachen:
Seit dem 15. April 1945 herrschten in Meißen der Belagerungszustand und Kriegsrecht. SS- Standort-kommandant Voß bereitete die Verteidigung gegen die Rote Armee vor. Am 2. Mai 1945 erhoben Nazis auf einer NS-Großkundgebung ihre Stimme für die Bewahrung Meißens durch die Abwehr der Roten Armee vor den Toren der Stadt und durch den Endsieg. Doch von irgendwelchen - offenbar mehrfachen oder ständigen? - Manifestationen anderer Art auf dem Markt oder an anderer Stelle im April/Mai 1945, auf  denen Bürger Meißens Rettung durch seine kampflose Übergabe gefordert und es einfach dank ihres Mutes erreicht hätten, daß es nahezu unzerstört geblieben wäre, ist bislang nichts bekannt. Freie  Willens-äußerungen waren seit März 1933 unmöglich, in der seit 1944 extrem verschärften Befehlslage wären sie brutal liquidiert worden. Oder will man etwa wirklich behaupten, daß „Bürger“ unter der NS-Terror-herrschaft „ihre Stimme erheben“ durften und die Meißner NS-Machthaber ihre Forderungen realisierten?
Ein einziges Ereignis an nur einem einzigen Tag Anfang Mai kann aber in den Plattentext hineingedeutet werden:  Die spontane Ansammlung von zwei- bis vierhundert kriegsmüden und fluchtunwilligen Meißnern -  überwiegend Frauen, Kriegsversehrte, Alte, Kinder, Ostflüchtlinge und Ausgebombte aus Dresden  - auf dem Markt am Vormittag des 6. Mai 1945. Sie wollten hören, ob es endgültig feststeht, daß sie die Stadt verlassen müssen. Und in dieser Stunde „erhoben hier“ tatsächlich zwei Männer sogar vom Rathausbalkon und auch sehr laut „ihre Stimme“: Ein Offizier, der den Fluchtbefehl erhärtete und - mit dem Mut der Verzweiflung geäußerte! - Protestrufe aus der Menge hören mußte, und Willy Anker, der die Menschen - trotz der ihm angedrohten sofortigen Hinrichtung - unter lebhaftem Beifall zur Befehlsverweigerung ermutigte, sodaß ihre Flucht unterblieb. Da aber Willy Anker unerwähnt bleiben soll, mußte auch dieser 6. Mai 1945 ungenannt in den vagen Zeitraum „April/Mai 1945“ eingehen.

Eine schon beschlossene Arbeitsgruppe mit Historikern wurde nicht gebildet. Sie hätte etwa folgenden Text verfaßt:

"Mutige Bürger suchten im April/Mai 1945 Unheil von Meißen abzuwenden.
Als ihre Sprecher entgingen Superintendent Herbert Böhme und
der Sozialdemokrat Willy Anker nur knapp dem Tod.
Meißen überstand den Krieg unzerstört."

Wir schlagen dem Stadtrat vor, seinen Beschluß vom 24.3.2010 auszusetzen und stadtgeschichtskundige Historiker mit dem Erarbeiten eines Gedenktafeltextes zu beauftragen, der die Zeiten überdauern kann.


Meißner Tageblatt vom 8.4.2010






















Beschlossene Mahn- und Gedenktafel zu den Ereignissen im April/Mai 1945 in Meißen wird dem Anspruch nicht gerecht:

Matthias Rost

Auf der Stadtratssitzung am 24.03.2010 wurde eine Mahn- und Gedenktafel an die Ereignisse vom April/Mai 1945 in Meißen beschlossen, die diesem Anspruch leider nicht ganz gerecht wird. Der SPD Ortsverein Meißen bedauert sehr, dass der ursprüngliche Beschlussvorschlag, der die ausdrückliche Nennung der beiden bedeutsamsten Personen dieser Tage - der Superintendent Herbert Böhme und der Sozialdemokrat Willy Anker - wieder zurückgezogen wurde.

Aber eben diese beiden Persönlichkeiten, die unter Einsatz ihres Lebens die Stadt Meißen vor der Zerstörung bewahrten, verdienen eine besondere Ehrung und Würdigung durch die nachfolgenden Generationen. Damit wird neben der geschichtlichen Wahrheit auch der Vorschlag des unabhängigen Ortschronisten, Herrn Gerhard Steinecke, nicht beachtet. Alle Nachkommen von Herbert Böhme und Willy Anker haben sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass beiden Namen gleichberechtigt auf der Mahn- und Gedenktafel stehen sollen. Selbst die vorab im Stadtrat beschlossene unabhängige Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern und Historikern zur Findung eines würdigen Gedenktextes wurde durch die Stadtverwaltung nicht einberufen. Ein schwerwiegender Fehler des Oberbürgermeisters, so meinen wir.

Dennoch hat die Fraktion Freie Bürger/SPD im Stadtrat der nunmehr beschlossenen Vorlage zugestimmt, jedoch mit dem Hinweis, die Aufarbeitung voranzubringen und auf einem anderen Wege die Ehrung der beiden benannten Persönlichkeiten zu befördern.
Internet, Veröffentlicht am 31.03.2010


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