Schwierigste Aufgaben für die neue Stadtverwaltung 1945/46


Noch nie hat ein Stadtrat vor schwierigeren Aufgaben gestanden,
aber noch nie ist wohl eine Stadtverwaltung mit derartiger Begeisterung
und Aufopferung an die Lösung ihrer Aufgaben gegangen
.“
(Helmut Reibig über die neue Stadtverwaltung


Die Stadt ist überbelegt mit Flüchtlingen aus dem Osten, mit Ausgebombten aus Dresden, und später auch mit einigen Tausenden Vertriebenen und Umsiedlern.
Durch Meißen wandern in den Nachkriegswochen auch täglich polnische, ukrainische und andere Zwangsarbeiter sowie russische Kriegsgefangene heimwärts, die hier oft auch übernachten und versorgt werden müssen, wobei manche dennoch zu plündern und zu vergewaltigen versuchen.
Doch anfangs liegen nicht nur das innere Leben in der Stadt, die Wirtschaft, der Handel, das Gesundheitswesen, die Stromversorgung, die Post, der Verkehr, die Verwaltung und Polizei still, sondern auch überlebensnotwendige Verbindungen nach außen sind weitgehend zusammengebrochen. Eisenbahnzüge und Busse verkehren nicht.
Die Geschäfte sind geschlossen. Einige sind beschädigt. Türen und Schaufenster müssen mit Brettern vernagelt werden, um Plünderungen zu erschweren. In manchen Straßen behindern Schutt, wie z.B. herabgestürzte Dachteile, sowie Abfälle und Schmutz vom Durchzug der Militärtransporte und von zahlreichen Marschkolonnen den Verkehr.
Es fehlt an Transportmitteln, um Nahrungsmittel, Kartoffeln, Kohlen und Arbeitsmaterialien, sofern sie denn überhaupt erhältlich sind, von außen heranzuschaffen.
Für die neue Stadtverwaltung hängt nun vieles auch ganz entscheidend von Sympathie und Verständnis sowie vom aktiven Beistand der beiden Stadtkommandanten ab. Um ihre Unterstützung bemüht sich der realistisch denkende OB Albert Mücke, der in den Kriegsjahren autodidaktisch Russisch erlernt hatte, ganz besonders und mit gutem Erfolg.



  • Albert Mücke ordnet zuallererst Ermittlungen nach dem Schicksal von Superintendent Herbert Böhme an, um ihn nach Möglichkeit noch zu retten:

    Superintendent Herbert Böhme berichtete über seine Rückkehr aus Dresdner Haft am 11. Mai 1945 nach Meißen: 
    "Hier erfuhr ich, dass die KPD und die neugebildete Stadtverwaltung sich schon meiner Sache wie auch der von Pfarrer Thieme angenommen hatten und meinen Anwalt Dr. Franze beauftragt hatten, die nötigen Schritte zu meiner Befreiung zu tun. Es liegt nun mir an, bei diesem Bericht außer Herrn Dr. Franze auch Herrn Oberbürgermeister Mücke für seinen Einsatz für mich den wärmsten Dank zu sagen, wie ich denn seitens der Stadtverwaltung und der KPD bisher nur wohlwollendes Verständnis für unsere kirchlichen Belange gefunden habe. … .
    Wir empfinden daher die tolerante Haltung der beiden jetzt tragenden Parteien als eine wirkliche Befreiung für unsere kirchliche Arbeit.
    “ (Bericht H. Böhmes vom 13.7.1945)
  • Vor allem aber sind die beiden Bürgermeister am 7. und 8. Mai auch mit den vielen Vergewaltigungen und Plünderungen der Rotarmisten in der Stadt beschäftigt. Mücke erreicht, daß die Stadtkommandanten der Bevölkerung ihren Schutz zusagen und sofort eine energisch vorgehende Militärpolizei einsetzen, sodaß dieses furchtbare Treiben schon nach zwei Tagen im Großen und Ganzen beendet werden kann, während es in den meisten anderen Städten noch Wochen und oft sogar Monate anhält.
    Mücke, Anker und Frau Mac Gregor bieten gefährdeten jungen Frauen aber sofort vorübergehend auch einen sicheren Unterschlupf bei sich daheim an.

    Elsa Anker, die Witwe Willy Ankers, erinnert sich in ihrer Niederschrift „Aus meinem Leben“: „Als dann die Russen … einzogen, war mir doch sehr bange, es war ja noch Krieg. Die Soldaten wussten doch nicht, wer Freund und wer Feind war. Wir hatten Angst vor dem, was kommen würde. Vor allen Dingen die jungen Frauen und Mädchen. Ich bangte um meine Tochter, sie war hochschwanger, der Mann in russischer Gefangenschaft. Es folgten furchtbare Tage und Nächte, denn die Russen suchten die Mädchen. Wir hatten die Stube voll von jungen Mädchen und Frauen, sie suchten Schutz bei meinem Mann.

Mai 1945: OB Albert Mücke, die Stadtkommandanten Strokow und Gutschenkos, 2. Bürgermeister Willy Anker Foto: Stadtarchiv Meißen Mai 1945: OB Albert Mücke, die Stadtkommandanten Strokow und Gutschenkos, 2. Bürgermeister Willy Anker Foto: Stadtarchiv Meißen


Im Vordergrund der Arbeit der Bürgermeister Mücke und Anker stehen dann:

  • Die akut bedrohte Lebensmittelversorgung. Um Nahrungsmittel zu beschaffen und sie sicherzustellen, erhalten der OB und der Polizeidezernent alle Befugnisse und Beschlagnahmerechte. Mit dem Beistand der Stadtkommandanten können die nötigen Nahrungsmittel dann auch beschafft werden. Doch OB Mücke sucht noch weitere Quellen zu erschließen:
    Am 19. Mai erbittet er von der Kommandantur die Freigabe eines Teils des für die Versorgung der Rotarmisten bei der Fa. Göhler beschlagnahmten Sauerkrauts.
    Am 12. Juni bittet er um Freigabe der Zuckerbestände in der Fa. Langelütje für die Bevölkerung. Am 13. Juli fordert der OB in einem Brief an Oberstleutnant Solowjow in Dresden, nun endlich das Versprechen einzulösen, dass für Ruhe und Ordnung nicht nur in Meißen, sondern auch im ganzen Landkreis gesorgt wird. Es gäbe nun so viele Raubzüge von Rotarmisten außerhalb der Stadt, dass deshalb auch das Einbringen der Ernte und damit die Bevölkerungsversorgung ernsthaft gefährdet seien.
    Am 2. August beruft  der Landrat Willy Anker zum Mitglied des Kreis-Ernteausschusses, der jeden Dienstag tagt.
    In Meißen beginnt dann bald auch ein freier Verkauf von Pferdefleisch.
    Die Stadtverwaltung erwirbt von der Roten Armee – jedoch vor allem auch zur Lösung von Transportproblemen – erst 30 Pferde für je 350 RM und später weitere 70 Pferde.
    Ein schwer erkämpfter Erfolg: Bis Anfang November können alle Einwohner mit Einkellerungskartoffeln versorgt werden.
    Am 3. Dez. wird beschlossen, eine städtische Schweinemastanstalt einzurichten.
    Anfang Februar 1946 wird in Meißen der freie Markthandel eingeführt.
  • Kaum lösbar sind die Einquartierungsprobleme in der mit Dresdner Ausgebombten und Ostflüchtlingen übervölkerten Stadt, durch die später auch heimziehende Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Richtung Polen, Ukraine, Russland wandern, die manchmal über Nacht ebenfalls untergebracht und versorgt werden müssen. Auch für manche aus dem KZ zurückkehrende Häftlinge aus Meißen müssen neue Unterkünfte gefunden werden,
  • Vordringlichst ist auch die Wiederaufnahme der Tätigkeit des Gesundheitswesens. Zum Kriegsende waren die Meißner Krankenhäuser mit allen ihren sanitären Einrichtungen nach Nossen verlegt worden, sodass in Meißen nicht mehr operiert werden konnte und ein Kind an seiner Blinddarmentzündung stirbt. Arztpraxen sind geschlossen. Das Rote Kreuz arbeitet nicht.
  • Die Auszahlung von Renten und Sozialhilfen muss ebenfalls neue geregelt und sofort gesichert werden.
  • Die Wiederherstellung der Stromversorgung steht an.
  • Das Unterbinden von Plünderungen durch Einwohner in Lebensmitteldepots, in Betrieben und sonstigen Einrichtungen wird zu einer Lebensfrage für die Stadt.

    Joachim Burckhardt berichtet über eine Plünderung: „Jemand rief: >Bei der Bäckergenossenschaft gibt es noch Mehl!< Nicht nur Mehl, auch Zucker, wie sich herausstellte, Backpulver, kistenweise Rosinen, Mandeln und Honig. Säcke wurden aufgeschlitzt, Eimer wurden abgefüllt, Kisten erbrochen. Zucker knirschte unter unseren Schuhen. Aromaflaschen zerschellten, es roch stechend nach Vanille und Ananas. Männer mit fliegenden Händen, Frauen kreischten, ein Mädchen, rotfleckig, saß auf einem Sack, den es nicht wegschleppen konnte.“  (Joachim Burkhardt “Meissen – meine Stadt”, Ullstein Ffm 1983, 210)

    Wegen solcher Plünderungen durch manche Meißner Einwohner muss OB Mücke ein vorübergehendes Verkaufsverbot für Mehl im Lebensmittelhandel und die Abgabe aller vorhandenen Mehlbestände nur noch an die Bäckereien erlassen. Doch auch im Metallwarenwerk Mesco wurde geplündert. In der Zaschendorfer Kaserne wurden Wäsche, Decken und Gebrauchswaren entwendet.

    Die Meißner “Volksstimme” meldet am 12. Mai: “Meißner Bürger haben in den letzten Tagen auf dem Rittergut Löthain etwa 200 Zentner Saatkartoffeln gestohlen. … Die Saatkartoffeln müssen bis zum 17. Mai 45 zurückgebracht werden. Polizeidezernent.” (Stadtarchiv Meißen)

  • Ferner geht es um das Ingangsetzen des Handels und der Betriebe ab dem 14. Mai.
  • Recht kompliziert ist der Kampf gegen den illegalen Verkauf der für die Versorgung auf Karten herbeigebrachten Nahrungsmittel, insbesondere der Butter, durch Händler zu Schwarzmarktpreisen. Anfangs reagiert man mit Entzug der Gewerbeerlaubnis. Doch da es bald zu viele Lebensmittelhändler betreffen würde, schlägt Anker später vor, dass zwölf Milchhändler, die 7 Zentner Butter verschoben haben, für jedes der Versorgung entwendete Kilogramm 20 RM Strafe zahlen sollen.
  • Reorganisiert werden muss die Ausgabe und Verteilung von Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen.
  • Die provisorische Reparatur der schwersten Schäden an Häusern, Brücken und Straßen steht an.
  • Das Beschaffen von Pferdefuhrwerken und möglichst auch von Lkw für den Antransport von Kartoffeln, Gemüse, Kohlen, Getreide und Materialien für die Produktionsaufnahme in den Betrieben bereitet große Sorgen. Lkw können nur die Stadtkommandanten bereitstellen.
  • Wichtig ist die rasche Bildung einer neuen Stadtpolizei, weil die bisherige Polizei am 6. Mai geflohen ist.
Aufstellung einer neuen Polizei. Kampf gegen Plünderungen. Quelle: “Volksstimme” vom 11.5.1945. Stadtarchiv Meißen Aufstellung einer neuen Polizei. Kampf gegen Plünderungen. Quelle: “Volksstimme” vom 11.5.1945. Stadtarchiv Meißen


Die Reorganisation einer handlungsfähigen Verwaltung zählt zu den weniger schwierigen Aufgaben besonders von Willy Anker.
Die vielen weg- und zugezogenen Einwohner, die Verstorbenen und die Geburten müssen erfasst werden.
Dazu gibt es Hunderte kleinster, aber sofort dringendst lösungsbedürftiger Einzelprobleme!
Gerade auch das erschöpft und überfordert fast die Kräfte der Bürgermeister und der Stadträte.
Die Stadtkommandantur muss z.B. um die Besorgung von 300 qm Glas für Reparaturen auf der Burg, um die Freigabe von Karbid, um Hilfe bei der Beschaffung von Streichbürsten und Pinseln
für Malereibetriebe, um die Bezahlung von Handwerkerarbeiten für die Roten Armee, aber u.v. a. auch um Gnade für einen Meißner Schneidermeister gebeten werden, der Uniformen nähte und dabei aber auch Stoffe für sowjetische Offiziersuniformen gestohlen und verschoben hatte. Major Strokow sieht von einer Strafe ab. Es wäre die Deportation in ein sibirisches Arbeitslager gewesen.
Am 20. August kann mit Major Strokow auch vereinbart werden, dass die in Wohnungen und Häuser einquartierten Offiziere Miete an die Eigentümer zahlen müssen.
Umgekehrt bittet ein Offizier Willy Anker z.B. um Hilfe beim Beschaffen von Ledersohlen für seine Stiefel. Und vieles, sehr vieles mehr.


Keine “alarmierenden Nachrichten aus Meißen”.
Der Meißner Stadtrat bewältigt die Probleme mit am besten

Es wäre verantwortungslos gewesen, wenn sich Mücke, Anker und die anderen Aktivisten der ersten Stunden angesichts dieser dramatischen Lage und der existenziellen Bedrohungen für Meißen geweigert hätten, die ihnen von der Besatzungsmacht aufgetragenen Ämter zu übernehmen.Dank ihres aufopferungsvollen Einsatzes zählt Meißen nicht nur zu den wenigen Städten, in denen man dank des guten Willens der Militärkommandanten die Vergewaltigungsorgie der Rotarmisten – jedoch nur innerhalb der Stadt, nicht im Kreisgebiet - am schnellsten beenden, sondern auch die enormen Versorgungsnöte am relativ besten bewältigen kann.

Der KPD-Beauftragte für Sachsen, Anton Ackermann, begründete, warum er erst zum Ende seiner Sachsen-Rundreise nach Meißen kam:
Das erklärt sich daraus, dass aus dieser Stadt nicht ähnlich alarmierende Nachrichten über die Lebensmittelversorgung
oder andere Katastrophenzustände vorlagen wie aus einer Reihe anderer Orte
.” (Bericht vom 15.9.65. Bundesarchiv Berlin)


Mit dem Beistand der beiden Stadtkommandanten
Doch das alles wäre wohl nicht erreichbar gewesen, wenn die beiden sowjetischen Stadtkommandanten  stark voreingenommen gegen die “naziverseuchten” deutschen Einwohner oder auch nur gleichgültig geblieben wären, wie es aus anderen Städten berichtet wurde. Albert Mücke, der in den letzten Kriegsjahren Russisch gelernt hatte, versuchte diese Offiziere für Meißen zu gewinnen. Wie in einigen Meißner Zeitungskommentaren erkennbar wird, hat Albert Mücke die Formierung des Stadtrats zum „Sowjet“ wohl vor allem deshalb vorgeschlagen, damit er sich bei der Behebung oder Linderung von zahllosen Nöten des größtmöglichen Beistands der beiden darüber sehr erfreuten und sich nun auch moralisch verpflichtet fühlenden Militärkommandanten versichern kann. Außerdem verstand er unter Sowjet (Rat) – im ursprünglichen Sinne von 1905 – ein basis-demokratisches Selbstverwaltungsorgan, wie aus einem Artikel in der “Volks-Zeitung” und u.a. auch aus Berichten des General Burzew und anderer Sowjetoffiziere hervorgeht. Mücke ahnte wohl nicht, dass die Sowjets unter Stalin inzwischen zum Mäntelchen einer Terrordespotie verkümmert waren. Der verlogenen NS-Propaganda hatte er nicht geglaubt, denn die unerwartet großen Erfolge und der Sieg der Roten Armee über die millionenstarken Heere der Wehrmacht und der SS im Osten täuschten ja  eher eine stark überlegene Sowjetordnung vor.
Albert Mücke nutzt das Wohlwollen der Kommandanten, um sie sogar zu bitten, sich für die Entlassung von über 800 Meißnern aus westalliierter und sowjetischer Kriegsgefangenschaft einzusetzen, denn angeblich seien sie fast alle Antifaschisten oder Söhne von Nazigegnern.

Ein zweites und ganz gleiches wie das hier abgebildete Schreiben, und ebenfalls versehentlich auf den 5. Mai 1945 datiert, erbittet dann Entlassungen auch aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Beiden Schreiben werden
Namenslisten mit genaueren Angaben über jeweils um die vierhundert Kriegsgefangenen beigefügt.

Letzte Seite von einer der beiden Listen mit je rund 400 Kriegsgefangenen aus Meißen, die den Entlassungsgesuchen beigefügt waren. – Stadtarchiv Meißen Letzte Seite von einer der beiden Listen mit je rund 400 Kriegsgefangenen aus Meißen, die den Entlassungsgesuchen beigefügt waren. – Stadtarchiv Meißen


Ferner benötigt Albert Mücke nicht selten die Hilfe der Kommandanten, um gegen Unrecht vorgehen zu können, das vielen Bürgern geschieht, die z.B. von missgünstigen Nachbarn beschuldigt oder auch denunziert wurden.
Nur ein Beispiel: Albert Mücke bittet am 7. Juni 1945 in Briefen an die Polizeileitungen und Stadtkommandanten von Thalheim und Stollberg, den von deutscher Polizei in Thalheim – wegen einer haltlosen Denunziation als angeblicher KZ- Aufseher – verhafteten und in Hoheneck eingesperrten Meißner Betriebsdirektor, Wehrmachts-Major und Volkssturm-bataillonschef Dr. Ernst Sch. freizulassen. Er war von der Meißner Zahnärztin und fanatischen Faschistin Dr. Z.-P. angezeigt worden.
Auch einige vom Sowjet-Geheimdienst NKWD heimtückisch verhaftete unschuldige Meißner können auf Bitten Mückes von der Militärkommandantur freiverhandelt werden, doch in den meisten Fällen misslingt es. Auch der vom NKWD verhaftete Stadtrat Richard Kmoch, der sich im April 1945 an der Vorbereitung der Erschießung von 16 polnischen Zwangsarbeitern beteiligen musste, kehrt trotz aller Bemühungen um seine Entlassung nicht aus dem polnischen Lager zurück.

OB Mücke bittet die Kommandantur, sich für die Freilassung einer vom NKWD verhafteten BDM-Führerin einzusetzen. – Stadtarchiv Meißen OB Mücke bittet die Kommandantur, sich für die Freilassung einer vom NKWD verhafteten BDM-Führerin einzusetzen. – Stadtarchiv Meißen


Derartige Bitten Mückes führten schon im Juni 1945 in  einem stark faktenverzerrenden Bericht des
Generals Burzew an Dimitroff dazu, dem Meißner Stadtrat Reinwaschungsversuche für Meißner Nazis vorzuwerfen.

 

Ausschnitte aus Burzows Bericht. Staatsarchiv Ausschnitte aus Burzows Bericht. Staatsarchiv



General Burzew behauptet im Juni 1945 im obigen Bericht an Dimitroff:
„In dieser Weise, infolge der Durchführung vollkommen unrichtiger Maßnahmen, entstand in Meißen ein günstigerer Boden für die Tätigkeit geheimer Naziagenten als in anderen Städten des Gebiets.
Nichtsdestoweniger waren weder der OB noch seine Genossen bereit, auf versteckte Naziagenten, Feinde und Provokateure zu achten. Sie reden im Gegenteil von überzeugten, ehrlichen Gegnern Hitlers, beteiligt an der illegalen Arbeit und betroffen vom deutschen Terror.”
Entlastungsversuche von Mücke für Meißner Nazis  gegenüber  den  verständlicherweise misstrauischen Sowjetoffizieren mit etwas geschönten Begründungen gibt es offenbar. Aber Burzew versteht überhaupt nicht, dass Albert Mücke, Anker und die Anderen eine differenzierte Sicht, eine Unterscheidung von Schuldigen und wenig Belasteten und menschliches Verständnis für jene vielen Meißner Nazis aufbrachten, die einfach nur den Sozialverheißungen Hitlers gutgläubig erlagen und in die Fänge des sog. “Nationalsozialismus” geraten waren. Der Stadtrat beschließt daher auch, nur die aktivsten NSDAP-Funktionäre, die sich negativ besonders hervorgetan hatten und politisch schuldig geworden sind, aus dem Schuldienst und aus städtischen Ämtern zu entlassen. Politisch aktiv gewesene Nazi-Lehrer und -Beamte werden dagegen nur zurückgestuft. Nominelle NSDAP-Mitglieder sollen ihre bisherigen Stellen unverändert behalten.
Doch Ende August wird der SMAD-Befehl Nr. 40 die Entlassung aller Lehrkräfte und Beamten anordnen, die NSDAP-Mitglieder waren.


“Keinerlei Bürgerorgane außer dem städtischen Magistrat.”
In der “Volksstimme” Nr. 3 vom 16.5.1945 wurden die Meißner Einwohner zur basisdemokratischen Eigeninitiative und zur Bildung von Bürgerkomitees aufgerufen:

„Organisiert die Kontrolle von unten. Organisiert die demokratische Selbsthilfe, bildet aus eigenen Reihen Komitees der Selbsthilfe, um die Reinigung der Verwaltungen durchzuführen. Bildet Komitees und Selbsthilfeorganisationen, um die wirtschaftlichen und politischen Sofortmaßnahmen zu gewährleisten. …  In diesem Sinne bedarf es der Initiative von unten. Wartet nicht auf Anweisungen, sondern handelt aus eigenem Entschluß.”

Burzew bestätigt in seinem Bericht diese rätedemokratischen Forderungen Albert Mückes,
indem er sowjetische Anweisungen an die Stadt zu ihrer Abschaffung anführt:
“Es werden keinerlei Bürgerorgane existieren außer dem städtischen Magistrat.”

Der Rathauseingang im Mai 1945: Russische Aufschrift: „Meissenskoje Gorodskoje Uprawlenije (Meißner Städtische Verwaltung)“. Darunter in Deutsch: „Stadtverwaltung“ Foto: G. Steinecke/Stadtarchiv Meißen Der Rathauseingang im Mai 1945: Russische Aufschrift: „Meissenskoje Gorodskoje Uprawlenije (Meißner Städtische Verwaltung)“. Darunter in Deutsch: „Stadtverwaltung“ Foto: G. Steinecke/Stadtarchiv Meißen





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