Gedenken an die Mutigen in Meißen kurz vor Kriegsende 1945

Der SPD-Ortsvorsitzende Willy Anker, der Superintendent Herbert Böhme und andere Nazigegner versuchten im April/Mai 1945 unter Lebensgefahr und mit einigem Erfolg die Stadt Meißen vor ein Unheil zu bewahren.


Um ihr Gedenken zu bewahren, gründete sich am 21. Dezember 2009 eine Initiativgruppe.

Ihr gehören an:
Rudolf Richter, VVN/BdA
Matthias Rost, Ortsvorsitzender
der SPD
Bernd Matthes, Ortsvorsitzender der LINKEN
Andreas Graff, Stadtrat (LINKE)


Zu den Unterstützern zählen u.a.:
Peter Sodann, ein Sohn unserer Stadt; Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. G. Besier;
Prof. Dr. Klaus Kinner; Dr. med. Monika Rösler, Enkelin Willy Ankers

Unser Anliegen:
Wir treten für eine Gedenktafel am oder im Rathaus ein, die an den Superintendenten Herbert Böhme, an den SPD-Ortsvorsitzenden Willy Anker und an andere Nazigegner erinnert.

Wir möchten Ihnen eine Dokumentation vor allem aus dem Leben und Wirken Willy Ankers vorstellen, weil es immer noch manche Vorurteile gegen ihn geben soll. Sie veranschaulicht, daß die übereinstimmend positiven Aussagen von schon sechs Historikern zutreffend sind, die sich mit Ankers Wirken in Meißen befaßt haben:

Ortschronist Dipl.-Hist. Gerhard Steinecke:
„Alle, die Willy Anker kannten, haben ihn als einen anständigen und einfachen Menschen in Erinnerung, sowohl in seiner Tätigkeit als Vorsitzender der SPD-Stadtleitung 1912-1933, als auch in seiner Bürgermeisterfunktion … .
Am bekanntesten aber ist er durch seinen Mut geworden, am 6. Mai 1945 vom Rathausbalkon aus gegen eine sinnlose Verteidigung Meißens aufzutreten.“

Heimathistoriker Helmut Reibig (†), Ehrenbürger Meißens, ehemaliger Leiter des Stadt-Museums und -Archivs, und ehem. Ehrenvorsitzender der VVN/BdA Meißen:
Mit Willy Anker verbindet sich „eine entscheidende Episode der Meißner Geschichte.“ Im April/Mai  1945 „zeigte dieser immer verbindliche, auch zurückhaltende Genosse, was in ihm steckte.“ Am 6. Mai 1945 hat er „durch sein mutiges Auftreten gegen die Faschisten im Meißner Rathaus unsere Stadt vor weiteren Zerstörungen gerettet“. Nie hat er „die Ideale seiner Jugend vergessen. … Sein ruhiges, unerschrockenes und verständnisvolles Handeln hat ihm … Volkstümlichkeit eingebracht, …“

Dr. Günter Naumann, Vorsitzender des „Vereins für Geschichte der Stadt Meißen“:
„Er besaß als Einziger die Zivilcourage, öffentlich zur Nichtbefolgung des Räumungsbefehls aufzufordern.“ … „Anker war dafür bekannt und geschätzt, daß er menschlich handelte und helfend eingriff, wo er nur konnte.“ (Günter Naumman „Stadtlexikon Meißen“, Sax-Verlag 2009, S. 75)

Dr. Mike Schmeitzner, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) an der TU Dresden (Ausführlicher hier im Kapitel I):
1945: „Anker selbst wurde stellvertretender Bürgermeister, doch im Vordergrund stand er nicht. Und durch Militanz zeichnete er sich in den nächsten Wochen und Monaten auch nicht aus.“ … 1948: „Anker wiederum tritt – wie schon im Sommer 1945 – auch jetzt nicht sonderlich in Erscheinung (jedenfalls nicht im Sinne von Diktaturmaßnahmen – so die bislang belegbare Quellenlage!). … Ankers Tat vom 6. Mai 1945 ist eine bemerkenswerte Leistung, die auch nicht durch seine spätere KPD/SED-Mitgliedschaft geschmälert wird. Nach jetziger Aktenlage – und hier bin ich mir mit Gerhard Steinecke einig – war Anker kein Mann der Diktatur, kein militanter Kommunist, auch kein Mann der Privilegien.“

Dr. Thomas Widera, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismus-Forschung über Ankers Aufruf vom Rathausbalkon am 6. Mai 1945 zur Befehlsverweigerung:
„Mutig war der Schritt auf den Balkon zweifellos. Denn ein einzelner Schuß hätte die Wende der Dinge zu einem kampflosen Verlauf … verhindern können. Andernorts wurde geschossen, nicht in Meißen.“ – „Ankers Aufruf hat dazu beigetragen, daß sich in dieser gefährlichen Situation der Auflösung jeder Ordnung allgemein Vernunft und Besonnenheit durchsetzten.“

Dr. Walter Rösler, Berlin:
„Den Großvater meiner Frau kannte ich nicht. Doch nicht deshalb ging ich skeptisch an die Untersuchung seiner Rolle heran. Sondern weil unter den DDR-Kadern oft Hardliner das Sagen hatten. Und weil ein liebender Opa dienstlich dennoch ein fieser Kerl sein konnte.
Beim Studium von Akten im Stadtarchiv Meißen, im Dresdner Staatsarchiv, im Bundesarchiv, von Lokalzeitungen seit 1923, von Familien-Unterlagen und in Gesprächen mit Zeitzeugen und Angehörigen wurde meiner Frau und mir jedoch klar, daß Willy Anker – wie OB Albert Mücke, Helmut Reibig und Andere – zu jenen grundehrlichen, bescheidenen und nicht korrumpierbaren Funktionären zählte, die ihren Idealen von sozialer Gerechtigkeit treu geblieben sind, und die selbst einiges an Mißtrauen, Kritik und Sanktionen „von oben“ ertragen mußten.
Womöglich gab es in der bisherigen Geschichte Meißens nur zwei Versuche, despotisch herrschenden Verderbern der Stadt Auge im Auge gegenüberzutreten und sie – wohl wissend, daß darauf der Tod steht! – offen und unverblümt zum Verzicht auf Maßnahmen aufzufordern, die Unheil und Leid über Meißen bringen mußten: Die Auftritte des Superintendenten Herbert Böhme am 27. April und des Sozialdemokraten Willy Anker am 6. Mai 1945.“
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Die Dokumentation

Teil 1:
a.  Ein schwieriger Lebensweg im sozialen Gerechtigkeitsstreben
b. Zwei widerständige Meißner unter der Naziherrschaft 1933 - 1945
c. Meißens Schicksalstage im April/Mai 1945
d. Was geschah am in Meißen am 6. Mai 1945?

Teil 2:
Er war anders, und er half, wo er konnte.
Zeugnisse vom Wirken Willy Ankers 1945 – 1950/60


Teil 3:
a. Aus jüngsten Untersuchungen über Leben und Wirken Willy Ankers
b. Zum bisherigen Gedenken an Herbert Böhme, Willy Anker und die anderen Mutigen